50 Gigs, 10 Tage, 2 Fotografen: Wie schafft man das?

50 Gigs, 10 Tage, 2 Fotografen: Wie schafft man das?
Workflow Kieler Woche 2010

Vorbemerkung

Die „Kieler Woche“ 2010 sah das Team von rockpixx.com wieder im Einsatz. Um die ausgesuchten Acts ablichten und tagesaktuell auf unsere Seite bringen zu können, war sowohl im Vorfeld als auch täglich auf der „Kieler Woche“ eine etwas ausführlichere Planung notwendig. Einige unserer Arbeitsabläufe und manche der zum Einsatz gekommenen Technik soll für interessierte Leser hier im Folgenden kurz beschrieben werden.

Im Vorfeld

Das Wichtigste muss natürlich im Vorfeld schon erledigt sein: Das Beschaffen der Akkreditierungen. Dazu muss bekannt sein, welche Bühnen dieses Jahr vorhanden sind, damit die dortigen Ansprechpartner angeschrieben werden können. Auch wenn sich in den letzten Jahren schon ein fester Stamm von Ansprechpartnern herausgebildet hat, so gibt es doch immer wieder Überraschungen. In diesem Jahr haben wir beispielsweise erst nach einiger Korrespondenz herausgefunden, dass für das „Kieler Woche Musikzelt“ erstmalig keine eigene Akkreditierung notwendig ist, sondern der offizielle Ausweis der Stadt Kiel ausreicht.

Parallel dazu werden natürlich schon die Tourdaten der „üblichen Verdächtigen“ regelmäßig beobachtet, Pressemitteilungen ausgewertet und jeden Tag ein wenig mehr auf das vorläufige offizielle Bühnenprogramm aus dem „Kieler Woche“-Informationsbüro gewartet. Dieses trudelte in den ersten Maitagen auch hier ein und ergab die nächste Überraschung: Die „Schankwerk-Bühne“ hatte die Segel gestrichen!

Nun konnten also die Tagespläne der für uns interessanten Acts in einer Excel-Tabelle erstellt werden, so dass wir für jeden Tag alle Bühnen von 17:00 – 3:00 Uhr auf jeweils einem Blatt in der Übersicht hatten. Diese Listen mussten bis unmittelbar vor dem Start der „Kieler Woche“ noch mehrere Male aktualisiert werden, da sich die individuellen Bühnenprogramme noch häufig änderten. Hier half nur das permanente Beobachten der entsprechenden Bühnenwebsites.
Auch noch „nebenbei“ (neben unserem eigentlichen Tagesgeschäft also) laufen noch solche Dinge ab wie: Aufstellen und Ergänzen der Packlisten, Beschaffung aller erforderlichen Technik, Kleidung und weiterer Werbeartikel, welche vor Ort gebraucht werden. Da wir in diesem Jahr zum ersten Mal Medienpartner der „MAXBühne“ am Hauptbahnhof waren, kam hier also im Vorfeld noch ein wenig mehr Arbeit auf uns zu, als wenn wir nur als ganz normale Fotografen unterwegs sein würden. Eine Beschreibung dieser Dinge würde hier aber zu weit führen…

Angekommen im Norden

Am Freitag, 19.06.2010 ging es inoffiziell mit dem „Soundcheck“ aller großen Bühnen los. Die offizielle Eröffnung der „Kieler Woche“ findet ja traditionell mit Politprominenz und dem „Holstenbummel“ immer erst am Sonnabend ab 19:30 statt. Das hieß für uns also, in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni die A7 von einem zum anderen Ende abzureiten, damit wir vor Ort dann noch genügend Zeit für vorbereitende Arbeiten hatten. Zu diesen Dingen gehörten – neben vielen anderen Aufgaben – zwei ganz wichtige Sachen:

  1. Einsammeln der Akkreditierungen an den verschiedenen Ausgabestellen zu den vorgesehenen Zeiten und
  2. Aufbau und Inbetriebnahme unserer Technik im gemieteten Ferienhaus im Kieler Umland.

Punkt 1 ist sollte eigentlich relativ einfach abzuhandeln sein, ergab vor Ort aber dennoch immer wieder spannende Momente, die uns unseren Tagesplan gehörig durcheinanderwürfelten: So waren beispielsweise unsere Fotopässe vom NDR zum vorgesehenen Zeitpunkt der Abholung noch irgendwo zwischen Hannover und Kiel unterwegs. Wir verschoben diesen Termin von daher auf den nächsten Tag – irgendwelche Zeitreserven würden sich dort schon noch finden lassen.

Punkt 2 war relativ einfach gelöst. Wir bauten die folgenden Dinge auf: Einen ACER Homeserver, einen Desktoprechner mit zwei Schirmen und dem Adobe CS4-Zeugs drauf (CS5 und Lightroom 3 waren zu diesem Zeitpunkt zwar schon bestellt und eigentlich auch schon da, sollten aber nicht zum Einsatz kommen), ein Notebook für die Fotografin und zwei ASUS Netbooks für den mobilen Einsatz als „Imagetank deLuxe“. Auf den Netbooks waren installiert: „Total Commander“ als Dateimanager, die Freeware „Microsoft ProPhoto Tools“ zum Verschlagworten der zu machenden Bilder (kann XMP-Dateien für RAWs schreiben), IrfanView als externer Viewer. Systemseitig wurde das mitgelieferte Windows 7 noch mit dem „Canon RAW Codec“ aufgehübscht, damit die gemachten RAWs auch entsprechend betrachtet werden konnten. Zusätzlich gab’s auf den Netbooks noch eine freie Version von „SoftMaker Office“, damit unterwegs eine brauchbare Textverarbeitung für das Verfassen der Reviews zur Verfügung stand – ein wenig Luxus sollte schon sein. Alle Rechner waren im Ferienhaus miteinander vernetzt und hingen an einer Internetanbindung, die diesen Namen nicht wirklich verdiente.

Und dann konnte es unseretwegen losgehen: Die Ausrüstung für beide Fotografen (je zwei bzw. drei DSLRs jede mit nur einem Objektiv, je ein Netbook plus Cardreader, Reserveakkus und die Ohrstöpsel) war in zwei Wanderrucksäcken verstaut, die Tasche mit den Ersatzklamotten (falls wir unterwegs völlig durchnässt werden würden) war ebenfalls gepackt und unser Werbebanner hing mittlerweile auch schon an der „MAXBühne“.

Vielleicht noch eine Anmerkung zum Thema „Wanderrucksack“. Wir haben uns bewusst für solche Teile entschieden und nicht für Fotorucksäcke oder –taschen: Erstens wecken diese Teile keine Begehrlichkeiten, da jede Menge Volk ebenfalls mit solchen Rucksäcken unterwegs ist, um praktischerweise die mitgeführten alkoholischen Getränke irgendwo verstauen zu können. Und zweitens brauchen wir für den Rest des Jahres solche (teuren) Spezialteile nicht, normale Wanderrucksäcke lassen sich aber immer und vielseitiger verwenden. Polstert man die Rucksäcke mit zwei normal großen Frotteehandtüchern aus, dann lassen sich dort im Hauptfach gut geschützt drei DSLRs mit Batteriegriff sowie jeweils angeflanschtem EF-S 10-22, EF 2.8 24-70L und EF 2.8 70-200 L unterbringen, ohne dass die Kameras direkten Kontakt miteinander haben. Zudem sind sie mit einem Griff herausgezogen und einsatzbereit.

Ein typischer Tagesablauf

… sah in etwa wie folgt aus:
Zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr begab ich mich an den Desktop, um in Adobe Bridge die Bilder vom Vortag zu sichten und zu bearbeiten. Dazu waren in der vergangenen Nacht die (idealerweise bereits verschlagworteten und grob gesichteten) RAWs von den Netbooks über das Netzwerk auf den Server kopiert worden. Sie lagen pro Gig in einem separaten Ordner auf dem Server vor. Da Bridge eine Weile brauchte, um die Bilder einzulesen, wurden in dieser Zeit noch fehlende Reviews geschrieben und ebenfalls auf dem Server abgelegt, sowie die dringendsten Arbeiten für unsere anderen Kunden erledigt.

Wenn Bridge endlich alle Bilder eingelesen hatte (mitunter, an „ergiebigen“ Abenden kamen da schon mehr als 1.000 RAWs zusammen), dann ging die „Feinsichtung“ los: Es hat auf rockpixx.com ja Tradition, dass pro Gig immer nur 10, in Ausnahmefällen auch einmal 20 Bilder gezeigt werden. Diese galt es nun, zu finden. Bei der Auswahl spielen immer verschiedene Kriterien eine Rolle – welche das jeweils waren, wurde von Fall zu Fall auf dem großen Schirm des Desktops entschieden. Diese Bilder wurden nun in CameraRaw entwickelt und durchliefen anschließend im PhotoShop eine selbstgeschriebene Aktion, welche die Bilder für’s Web herunterrechnete, nachschärfte und mit unserem Logo versah. Zudem wurde von jedem Bild noch ein Thumbnail erstellt und ein Teaserbild für diesen Gig erblickte auch noch das Licht der Welt. Sobald die Bilder eines Gigs fertig waren, lud unsere Fotografin von ihrem Notebook aus die Bilder per FTP auf den Webserver und fütterte die Datenbank von rockpixx.com mit den entsprechenden Bildnummern sowie dem dazugehörigen Text des Reviews. Dann galt es noch, den abgelichteten Musikern eine kurze Information via MySpace, Facebook, Gästebuch oder eMail zukommen zu lassen, dass die Bilder von Ihrem Auftritt online waren. Spätestens ab 10:00 Uhr eines jeden Tages konnten wir an den Zugriffszahlen auf rockpixx.com ablesen, dass die Leute auf die Bilder vom Vortag warteten…

Als letzte Aktion wurde auf der Startseite von rockpixx.com noch der Ticker mit den „Neuzugängen“ angepasst und ein kurzer Eintrag auf blog.rockpixx.com verfasst. Je nachdem, wie viele Acts in der vergangenen Nacht von uns abgelichtet worden waren, waren wir immer irgendwann zwischen 13:00 und 16:00 Uhr mit diesen Arbeiten fertig. Parallel dazu mussten wieder alle Akkus aufgeladen sowie die Speicherkarten formatiert werden.

Ebenfalls irgendwann im Laufe dieser Zeit nahmen wir uns auch unseren Plan mit den Acts vom kommenden Abend vor und klärten ab, wer von uns wann an welcher Bühne fotografieren würde. Dazu muss man wissen, dass die Bühnen über die gesamte Kieler Innenstadt verteilt sind, die interessanten Acts zeitweilig zur gleichen Zeit beginnen und auf den meisten Bühnen abends ein Programm in zwei Schichten gefahren wird. Das meint, dass beispielsweise Hauptact-1 auf Bühne 1 und Bühne 2 jeweils um 19:00 bzw. 19:30 beginnt und Hauptact-2 auf Bühne 1 dann schon um 21:00 Uhr, auf Bühne 2 aber erst ab 22:00 laufen wird. Die Bühnen 3 bis 5 haben aber auch noch interessante Acts, so beispielsweise um 18:00 Uhr, 20:30 Uhr und 21:30 Uhr. Um da unnötige Laufereien und Zeitverluste zu vermeiden, muss schon im Vorfeld der abendliche Zeitablauf optimal geplant sein. Zudem ist einzuplanen, dass bei Topacts wie Nena beispielsweise spätestens 90 Minuten vor dem Konzert vermutlich kein Durchkommen zum Graben mehr möglich sein wird, weil einfach schon zu viel Publikum anwesend ist. Gerade die „Unser Norden-Bühne“ an der Hörn hat einen nicht leicht erreichbaren Graben. Beim NDR am Ostseekai ist das besser gelöst: Selbst wenn der Platz proppevoll ist, kommt man (nach ein paar netten Worten mit den Ordnern) recht gut „auf Seitenwegen“ nach vorne. Lustig wird’s auch, wenn die Startzeiten nicht eingehalten werden, aber auf dem Zettel für später noch Acts an anderen Bühnen warten – da kann einem dann schon einmal etwas mulmig im Bauch werden. Ein guter Garant für diese Gefühle der anderen Art war übrigens stets das „Kieler Woche Musikzelt“: Die haben’s nie geschafft, pünktlich anzufangen…

Gegen 17:00 ging es dann wieder los Richtung Kiel. Kiel ist zur „Kieler Woche“ verkehrstechnisch eine mittlere Katastrophe: Hunderttausende von „Sehleuten“ – oft mehr oder weniger stark alkoholisiert und/oder im Fußball WM-Fieber versuchen, den Massen von Autos, Bussen und Taxen die wenigen nicht von einer Vollsperrung betroffenen Straßen in der Innenstadt streitig zu machen. Ampeln sind hübsche bunte Lichtzeichengeber, die ansonsten aber keinerlei Sinn zu haben scheinen. Parkplätze in der Innenstadt gibt’s – wenn überhaupt – nur in einigen wenigen Parkhäusern. Meistens hatten wir allerdings Glück und konnten in unmittelbarer Nähe unseres „Wohnzimmers“ (aka „MAXBühne“) einen Platz für unseren Wagen finden.

Und dann begann die Lauferei zur Bühne, Warterei vor der Bühne, Fotografiererei im Graben für einen bis drei Songs und das sich daran anschließende Kopieren der Speicherkarten auf das Netbook – falls dafür Zeit vorhanden war. Zum Glück sind unsere Speicherkarten mit einer Kapazität von 8 GB bzw. 16 GB groß genug dimensioniert, um auch von mehreren Gigs die Bilder aufnehmen zu können. Das erschwert natürlich später beim Kopieren das „Auseinanderfieseln“ und Zuordnen der Dateien zu einem Gig, lässt sich bei Zeitproblemen aber nicht immer vermeiden. Spätestens am Ende eines jeden Abends fanden wir uns dann wieder backstage an der „MAXBühne“ zusammen und hier werden dann die letzten Kopiervorgänge und Verschlagwortungen vorgenommen. Unsere Fotografin schaffte es oft sogar noch, schon die ersten Grobsichtungen ihres Bildmaterials vorzunehmen und einige Reviews zu schreiben – ich dagegen nie.

Meistens sind wir dann irgendwann zwischen 0:30 bis 2:30 Uhr wieder im Ferienhaus gewesen und hängten dann die Netbooks an den Server und ließen diese kopieren. Schnell wurde noch der Ticker auf der Startseite von rockpixx.com mit den für den nächsten Tag zu erwartenden Bildern angepasst und dann und fielen Fotografin und Fotograf reichlich müde ins Bett.

Nachbetrachtung

Nun ist die „Kieler Woche“ 2010 also seit knapp zwei Wochen beendet und so langsam sind unsere letzten Nachbereitungen auch durch – das übliche Tagesgeschäft hat uns wieder. Aber: Eigentlich ist nach der „Kieler Woche“ immer auch schon wieder vor der „Kieler Woche“. Insofern laufen bei uns im Hintergrund schon wieder die ersten Überlegungen und Vorplanungen für die „Kieler Woche“ 2011 an…

Fazit

  1. Es hat Spaß gemacht.
  2. Es war anstrengend.
  3. Ich werde langsam zu alt für diesen Scheiß.
  4. Ich freue mich schon auf die „Kieler Woche“ 2011.